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150 Jahre Michaelskirche

Geschichte

Schon 1544 wurde Bensheim durch den Kurfürst Friedrich II. evangelisch. 1546 wurde die erste lutherische Kirchenordnung erlassen und Bensheim erhielt seinen ersten evangelischen Pfarrer, der Matthias Wohlfarth hieß. Die ersten Kirchenbücher, die sich in der katholischen Pfarrei St. Georg finden, wurden von lutherischen Pfarrern geschrieben. Von 1616-1618 wurde die Kirche auf dem Friedhof gebaut, die heutige Crescenzkirche. Nach wechselvoller Geschichte hat die Michaelsgemeinde die Crescenzkirche in den vergangenen Jahrzehnten nutzen dürfen. Auch während der Innenrenovierung der Michaelskirche stellte die katholische Pfarrei St.Georg freundlicherweise ihre Kirche für die sonntäglichen Gottesdienste zur Verfügung.

(c) Evang. Michaelsgemeinde

Schon kurz nach Vollendung der Friedhofkirche ging Bensheim 1619 an den Kurfürsten von Mainz zurück und wurde wieder katholisch. Das „evangelische Bensheim“ blieb eine kurze Episode der Geschichte. Nach dem Grundsatz „cuiusregio, eiusreligio“ „der Herrscher bestimmt über die Religion seines Gebietes“, blieb Bensheim für fast zwei Jahrhunderte katholisch. Erst Napoleon sorgte für Veränderungen. Er hatte die Grenzen Frankreichs bis zum Rhein ausgedehnt. Die deutschen Fürsten, die bis dahin linksrheinisches Gebiet besaßen, wurden großzügig entschädigt, in dem man ihnen ehemals geistliche Herrschaftsgebiete übertrug. So erhielt der Landgraf von Hessen-Darmstadt anstelle der verlorenen Grafschaft Hanau-Lichtenberg, die bisher zum Kurfürstentum Mainz gehörenden Besitzungen in Starkenburg. 1803 wurde Bensheim hessisch. Der harte Grundsatz, daß der Landesherr die Konfession bestimmen kann, war durch die Aufklärung aufgehoben. So blieb Bensheim katholisch, aber es konnten nun evangelische Bürger zuziehen, denen gleiche Bürgerrechte gewährt wurden. Der hessische Landgraf versuchte auch, durch entsprechende Versetzung seiner Beamten katholische und evangelische Bevölkerung zu mischen. 1805 zählte man 52 Evangelische in Bensheim. Sie gingen in der Regel sonntags nach Auerbach oder Schwanheim zum evangelischen Gottesdienst. Schnell entstand der Wunsch, eine eigene Gemeinde zu gründen. Mit der Einweihung der Michaelskirche 1863 hatte die Gemeinde Jahrzehnte später ihre sichtbare Selbständigkeit erreicht.

Wie die Bensheimer zu ihrer Kirche kamen

(c) Evang. Michaelsgemeinde

Die Michaelskirche ist vergleichsweise jung. Ihren Namen bekam sie erst, als in Bensheim mit der Stephanusgemeinde eine zweite evangelische Gemeinde gegründet wurde. An Luthers Geburtstag, dem 9. November 1863, wurde sie eingeweiht. Damit wurden jahrzehntelange Bemühungen um eine eigene evangelische Kirche in Bensheim mit Erfolg gekrönt. Schon 1846 nämlich hatten die Evangelischen Bensheims, Heppenheims und Lorschs sich zusammengetan, um einen Kirchbau zu finanzieren. Aber die Bildung der Gemeinde verzögerte sich, Sammlungen und Spenden ergaben nicht genügend Kapital. Das Jahr 1848 brachte erhebliche Unruhe mit sich und ließ den Plan eines Kirchbaus vorerst scheitern. Nachdem die Enttäuschung überwunden war , wählte man 1852 einen neuen provisorischen Kirchenvorstand. Endlich gelang es, regelmäßig einen eigenen evangelischen Gottesdienst in Bensheim zu feiern. Am zweiten Ostertag 1852 wurde der erste evangelische Gottesdienst im Dalberger Hof gehalten. Die evangelischen Nachbargemeinden Auerbach und Schönberg unterstützten die kleine Gemeinde. Alle vierzehn Tage hielt der Auerbacher Pfarrer im Dalberger Hof Gottesdienst. Aber mit der neuen Bleibe war der alte Wunsch nach einer eigenen Kirche nicht erfüllt. Schon zwei Jahre später kaufte die Gemeinde den Bauplatz, einen Teil des Weinbergs des Weinhändlers Feigel.

(c) Evang. Michaelsgemeinde
(c) Evang. Michaelsgemeinde

Die Heppenheimer und Lorscher waren darüber einigermaßen empört, weil sie sich die zukünftige Kirche näher bei sich gewünscht hatten, so daßeinRückgang im Gottesdienstbesuch zu verzeichnen war. 1856 wurde die Kirchensteuer eingeführt. Und wieder ärgerten sich die Heppenheimer. Aus Protest gegen das neue Umlageverfahren besuchten sie den Gottesdienst im badischen Laudenbach. Der Ärger verflog, als sie aufgrund der neuen Finanzquelle bald einen eigenen Betsaal und eine eigene evangelische Schule erhielten.

Die Initiative zum Kirchbau ging dann von einem Premierleutnant namens Schragmüller aus. Der schenkte 1859 der Gemeinde ein Gußstahlgeläut. Die Glocken, die darin aufgehängt wurden, stehen heute auf dem südlichen Kirchplatz. Außerdem versprach der begüterte Mann, der Kirchengemeinde das nötige Kapital für den Kirchbau zu leihen, wenn sie sofort mit dem Bau begänne. Sogar einen genauen Terminvorschlag lieferte der Leutnant mit: Am 9. Juni, dem Geburtstag des Großherzogs, sollte der Grundstein gelegt werden. Und so geschah es. Bis in den Oktober 1860 gingen die Arbeiten gut voran. Am 14. Oktober aber stürzte das auf vier Bögen ruhende Gewölbe ein. Die Sakristei wurde zertrümmert, einige Mauern rissen bis zum Sockel. Man hatte sich offenbar in der Statik der Kuppel verrechnet. Für die Kirchengemeinde war dies ein harter Schlag. Noch Jahrzehnte danach war sie mit der Tilgung der Schulden belastet. Der damalige Kreisbaumeister arbeitete einen einfacheren Plan aus, nach dem unter Verwendung der alten Gemäuer die Kirche fertiggebaut wurde. So kam es, daß erst im November 1863 der Bau eingeweiht wurde.

Der Innenraum der Kirche wurde später mehrfach umgestaltet. 1887 baute man eine Seitenempore ein, die für den neugegründeten Kirchenchor gebraucht wurde. Beim 50. Jahrestag der Kirchweih 1913 wurden das Treppenhaus und der Ausgang nach Norden geschaffen. Die Sakristei wurde ausgebaut und als Taufkapelle eingerichtet. Zum hundertjährigen Bestehen der Gemeinde wurde die Kirche 1952 renoviert. Schon relativ kurz nach dem zweiten Weltkrieg hatten die Bensheimer mit viel Engagement und Fleiß die nötigen finanziellen Mittel beschafft.

Die letzte Renovierung der Kirche

(c) Evang. Michaelsgemeinde
(c) Evang. Michaelsgemeinde

Von 1970 bis 1975 fand die letzte umfassende Renovierung der Michaelskirche statt. Außen wurde das gesamte Mauerwerk abgestrahlt, innen wurde der Kirchenraum mit roten Sandsteinplatten belegt, eine neue Fußbodenheizung installiert und die bis dahin überputzten Steinmetzarbeiten an den Wänden freigelegt. Alle Fenster erhielten eine doppelte Verglasung. Über der Kanzel wurde ein neuer Schalldeckel eingebaut. Um die Taufe während des Gottesdienstes feiern zu können, wurde der Taufstein aus der Sakristei herausgenommen und im nördlichen Seitenschiff aufgestellt. Das bisher auf dem Altar stehende Kreuz aus Granit wurde durch ein Kruzifix ersetzt.

Neue Abendmahls- und Taufgeräte sowie Kerzenständer wurden angeschafft. Anstelle der Bänke wurden Stühle aufgestellt, um die Sitzordnung verschiedenen Veranstaltungen anpassen zu können. Der Altarraum wurde in den Kirchenraum hinein vorgezogen, was der Gestaltung der Abendmahlsfeier und auch musikalischen Veranstaltungen zugutekommt. Die Kirche wurde innen neu verputzt und einheitlich weiß gestrichen. Am ersten Pfingsttag 1975 weihte der damalige Dekan Pfarrer Horst Krebs die Michaelskirche wieder ein.

Die Renovierung 1996

(c) Evang. Michaelsgemeinde
(c) Evang. Michaelsgemeinde
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Im Lauf der Zeit zeigte der Putz Risse. Kerzenruß und Umluftheizung bildeten Schatten entlang der Risse, die ehedem weiße Farbe wurde grau und fleckig. Darum beschloß der Kirchenvorstand 1994 eine erneute Renovierung der Kirche. Nach den großen Veränderungen bei der letzten Renovierung ging es diesmal vor allem um die Behebung der Putzschäden und die farbliche Neugestaltung der Kirche. Der Kirchenvorstand entschied frühzeitig, unterschiedliche Bauteile farblich gegeneinander abzusetzen. Der Architekt Heinz Frassine erhielt den Auftrag, die Innenrenovierung der Kirche zu übernehmen und ein Farbkonzept zu erarbeiten.

Im April 1996 erteilte die Kirchenverwaltung die Baugenehmigung für die Innenrenovierung. Am 5. August begann die Darmstädter Malerfirma Zimmermann mit den Arbeiten in der Kirche. Etwa 10 Prozent des Putzes mußte abgeschlagen werden, weil er schadhaft geworden war. Die übrigen Wandflächen wurden mit einem Sandstrahlsystem vorsichtig gereinigt. Anschließend wurden die Wände mit zwei neuen Putzschichten überzogen. Um zukünftige Rißbildungen zu verhindern, wurde in die erste Putzschicht ein Gewebe eingebettet.

Anschließend wurden die Wände in einem gebrochenen Weißton gestrichen, Säulen, Pfeiler und Bögen in einem sandsteinfarbigen Gelbton angelegt. Die Deckenbalken wurden in alter Technik maseriert, und die zwischen den Balken liegenden Gefache frisch geweißt und mit einem blauen Begleitstrich versehen, wie man es auch an alten Putzteilen der Decke noch sehen konnte. Die Kanten der Balken wurden in Goldbronze abgesetzt. Entsprechend wurden die Emporenbrüstungen behandelt. Die Kapitelle sind nach dem ursprünglichen Befund farbig angelegt worden. Die Blumenornamente sind mit Blattgold verziert, warme Blau- und Rottöne setzen die verschiedenen Muster voneinander ab. Im Chorraum wird diese Farbpalette durch einen Grünton ergänzt.

Der Schlußstein im Chorgewölbe ist mit vergoldeten Sonnenstrahlen, die über blauem Grund aufleuchten, besonders prächtig verziert, und die auf ihn zulaufenden Rippen sind mit einem vergoldeten Blattfries auf rotem Grund hervorgehoben. Die wenig anschauliche Holzverkleidung unter der Seitenempore wurde an die sehr viel schönere der Orgelempore angepaßt.

Alle Holzteile sind in einem hellen Grauton gestrichen, davon abgesetzt sind die naturbelassenen Eichenhölzer im Altarraum und den Eingangstüren. Der Taufstein ist näher an die Altarstufen herangerückt, um augenfällig zu machen, daß die Taufe ins Zentrum des Gottesdienstes gehört. Auch die Sakristei wurde neu hergerichtet: der Boden mit hellgrauen Kacheln neu gefließt, die Wände frisch geweißt und die Kapitelle farbig gestaltet. Der Schalldeckel der Kanzel ist nun mit einem Blattgoldornament hervorgehoben. Auch die Rundbögen an der Kanzel selbst sind mit Goldbronze abgesetzt. Die Renovierung bot auch die Möglichkeit, durch die Installation einer Induktionsschleife um das Hauptschiff herum den Schwerhörigen eine neue Hörhilfe zu geben.

Die erste Orgel der Michaelskirche kam aus Schwanheim. Die kleine evangelische Gemeinde in Bensheim erhielt 1863, als die Michaelskirche erbaut wurde, willkommene Unterstützung von der sehr viel wohlhabenderen und größeren Schwanheimer Nachbargemeinde. Vermutlich haben die Schwanheimer ihr Instrument nicht ganz ungern verschenkt.

Denn schon 1871 mußte unsere Kirchengemeinde eine neue Orgel kaufen, weil die Mängel der alten zu groß wurden. Bis 1946 hat diese Orgel ihren Dienst getan. Sie wurde übrigens aus dem Erlös eines Basars finanziert. Was muß das für ein Basar gewesen sein! Denn billig waren Orgeln noch nie. 1946 baute die Fa. Gebrüder Link ein neues Werk. 20 Jahre später genügte es den Ansprüchen der sich sehr ausweitenden kirchenmusikalischen Arbeit unter Kantor Armin Schoof nicht mehr. So wich 1965 dieses Instrument einem neuen, größeren, gebaut von der Fa. Bosch, Sandershausen. 1998 wurde diese Orgel von der Bensheimer Orgelbauwerkstatt Andreas Ott renoviert und um ein drittes Werk von 22 auf 36 Register erweitert.

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